Einleitung
„Wie bereiten wir die Mitarbeitenden auf Aufgaben vor, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden?“
Nach YouTube „Shift happens, did you know?“ (2025)[1]
Das World Economic Forum geht davon aus, dass 44 % der Beschäftigten in den kommenden fünf Jahren grundlegend neue Fähigkeiten aufbauen müssen. Es kommt in seinem aktuellen Bericht "Future of Jobs 2023"[2] zum Ergebnis, dass analytisches und kreatives Denken sowie Künstliche Intelligenz (KI) und der Umgang mit Big Data bis 2027 die am meisten nachgefragten Fähigkeiten sein werden. Wichtiger werden auch Führungsqualitäten und sozialer Einfluss sowie Neugier und Lebenslanges Lernen. Vorratslernen für Wissen und Qualifikationen spielt dagegen eine untergeordnete Rolle.
Dieser Trend wird durch weitere Studien[3] sowie den Trendradar der Haufe Akademie (2024) bestätigt. Nach dieser Studie sind die zentralen Faktoren der Zukunftskompetenzen
- Digitales Lernen und technologiegestützter Wissensaufbau
- Wissensmanagement und Kompetenzentwicklung
- Agile Methodik und adaptives Lernen
- Ganzheitliche Führung und Organisationsentwicklung
Hinzu kommt, dass alle Transformationen in der Wirtschaft zu einem erheblichen Teil Lernprozesse sind. Deshalb ist es nach dieser Studie für alle Organisationen zwingend erforderlich, “unmittelbar“ zu handeln, also das betriebliches Lernsystem - Corporate Learning – jetzt grundlegend neu auszurichten.
Neue Formen und Methoden des Arbeitens – New Work – begegnen uns laufend: im Berufsleben, in alten und neuen Berufen, in Unternehmen und Organisationen. Vernetzung, Komplexität, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Agilität oder Selbstorganisation sind die einschlägigen Stichworte. Hinter all diesen Formen stecken erweiterte Anforderungen, selbstorganisiert und kreativ zu handeln, neue Kompetenzen und neue, sie begründende Werte.
Wissen, Kompetenzen und Werte können von den Mitarbeitenden nur handlungswirksam angeeignet werden. Pauken und Auswendiglernen hilft da wenig, ein zukunftsweisendes Lernen – Future Learning – ist erforderlich. Diese neue Lernwelt muss dabei ein Spiegelbild der Praxis sein, wenn die Mitarbeiter auf die zukünftigen Herausforderungen des New Work vorbereitet werden sollen.
Future Learning und New Work bilden die Zukunft des Lernens und Arbeitens ab. (vgl. Foelsing, Schmitz 2021a).
Die Entwicklung des Corporate Learning in den vergangenen drei Jahrzehnten ist durch fünf Phasen der Digitalisierung bzw. der digitalen Transformation, also der grundlegenden Veränderung des Geschäftsmodells der betrieblichen Bildung, gekennzeichnet:
- E-Learning ab den 1990-er-Jahren: Vorgegebene Ziele des Wissensaufbaus auf Basis von Computer Based Trainings bzw. Web Based Trainings
- Blended Learning ab den 2000-Jahren: Formelles Lernen mit dem Ziel des Aufbaus von Wissen und Qualifikationen mit online-basierten Selbstlernphasen
- Social Blended Learning ab den 2010-Jahren: Formelles und informelles Lernen mit individuellen Kompetenzzielen in Praxisprojekten
- (Social) Workplace Learning ab den 2020er-Jahren: Informelles Lernen mit individuellen werte- und Kompetenzzielen zur Bewältigung von Herausforderungen in der Praxis.
- Future Learning jetzt: Werte- und kompetenzorientierte Bewältigung von Herausforderungen in der Praxis mit KI-Unterstützung.
Wir selbst haben mehrfach versucht herauszufinden, wie wir künftig, in einer Welt fühlender Computer, kluger Clouds und sinnsuchender Netze, lernen werden (z.B. Erpenbeck, Sauter 2013, 2017, 2021, 2023). Unsere Vision von einem Lernen in der Zukunft haben wir so zusammengefasst (vgl. auch Münchner Bildungsforum 2023):
- Future Learning erfolgt vor allem werte- und kompetenzorientiert im Prozess der Arbeit.Future Learning ist deshalb von der eigenen Werte- und Kompetenzent-wicklung nicht mehr zu trennen. Trainings- und Weiterbildungsangebote werden bei Bedarf unterstützend und ergänzend gesucht und zeitnah einbezogen, bilden aber nicht das Zentrum des Lernens. Die eigentliche Handlungsfähigkeit wird durch Kompetenzen hergestellt. Dabei bilden zu eigenen Gefühlen umgewandelte Werte die eigentlichen Kompetenzkerne, die Motivation und Orientierung geben. Ohne Gefühle, ohne emotionale Veränderungen gibt es zukünftig kein wirkungsvolles Lernen. Wissen steht heute schnell und zunehmend auch kuratiert, d.h. sorgfältig und spezifisch für die Lernenden mit Hilfe der KI ausgewählt, zur Verfügung. Es ist, wenn man es zu gewichten und zu werten versteht, die Basis des Handelns, nicht mehr. Das Wissen ändert sich aber zu schnell, um sich damit »auf Vorrat« auf die Zukunft vorzubereiten. Wer heute viel weiß, weiß morgen zu wenig oder auch zu viel Überflüssiges, was auf das Gleiche hinausläuft. 
- Future Learning wird durch die Lernenden mit Hilfe Künstlicher Intelligenz selbst organisiert und personalisiert umgesetzt.Lernen im Prozess der Arbeit setzt aufgrund der hohen Komplexität voraus, dass Herausforderungen gemeinsam mit Kolleg*innen, Lernbegleitenden, Führungskräften oder mit Unterstützung von Expert*innen bewältigt werden. Dieser Austausch erfolgt dabei immer mehr online, so dass den Lernern immer breitere Netzwerke zur Verfügung stehen. Zunehmend werden diese Prozesse durch Virtuelle Assistenten begleitet, die fundierte Rückmeldungen und gezielte Lösungshinweise geben. Future Learning setzt also eine Vernetzung von menschlichen Lern- und Kooperationspartner*innen und von Human-Computern als Lernassistenten voraus. Der Gebrauch von Clouds, in denen unsere Programme und Daten überwiegend gespeichert sind, und deren immer intelligentere Nutzung und Verarbeitung werden deshalb immer wichtiger. 
- Future Learning wird durch soziales, kollaboratives Lernen, und immer öfter online und KI-begleitet, geprägt.Future Learning ist die zentrale Strategie der Zukunft, weil sich der Charakter der Arbeit weiter grundlegend verändert. Oft wird diese fundamentale Änderung heute unter dem Sammelbegriff New Work zusammengefasst. Es ist die Antwort auf Probleme, die uns alle beschäftigen und die man pauschal mit den Stichworten Urbanisierung, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Globalisierung, Klimawandel und demografischer Wandel benennen kann. 
»New Work kennzeichnet die heutige Erwerbsarbeit, die durch zukunftsorientierte Veränderungen aufgrund der digitalen Transformation geprägt ist.« (Fraunhofer IAO 2019)
Für die Personalentwicklung und überbetriebliche Bildungsanbieter eröffnen sich dadurch neue, attraktive Chancen, sofern sie ihre Geschäftsmodelle grundlegend verändern. Notwendige Voraussetzung für Future Learning ist dabei die Akzeptanz des Werte- und Kompetenzmanagements bei den Mitarbeitern und Führungskräften. Dieses Vertrauen kann allerdings nur in einem längerfristigen Veränderungsprozess schrittweise aufgebaut werden.
[1] Youtube: Shift happens, did you know (2022), abgerufen unter https://www.youtube.com/watch?v=u06BXgWbGvA am 10. 07. 2022
[2] https://www.weforum.org/agenda/2023/05/future-of-jobs-2023-skills/
[3] https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/studien/iw-trands/pdf/2021/iw-trends_2021--01-05_seyda.pdf, abgerufen am 12.12.2021LXP