Vermittlung von Digitalkompetenz – geht das überhaupt?

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Vermittlung von Digitalkompetenz – geht das überhaupt?

Das bitkom hat seine Mitgliedsunternehmen gefragt, wie sie die Digitalkompetenzen ihrer „vermitteln“.[1] Allein die Überschrift der Presseinformation irritiert mich, wissen wir doch aus der Lernforschung, aber auch aus unserer Praxiserfahrung, dass Kompetenzen nicht „vermittelt“ werden können.

Wissen ist keine Kompetenz

Vielmehr können Kompetenzen nur bei der Bewältigung von realen Herausforderungen in der Praxis selbstorganisiert aufgebaut werden. In dem Text der Bitkom gehen die Begriffe Kompetenzentwicklung und -vermittlung, Qualifizierung und Weiterbildung jedoch wild durcheinander. Deshalb ist mir auch völlig unklar, was eigentlich erfragt wurde. Haben die Unternehmen zurückgemeldet, dass sie das Wissen über die Digitalisierung „vermittelt“ haben oder haben sie es ihren Mitarbeitenden ermöglicht, in der Praxis tatsächlich digitale Kompetenzen im Sinne ihrer Handlungsfähigkeit aufzubauen. Damit wird die Aussagefähigkeit dieser Studie sehr eingeschränkt.

Ich frage mich, warum sich die bitkom nicht die Mühe macht, Ihre Methodik der Befragung klar zu gestalten um sinnvolle Ergebnisse zu erhalten. Ich vermute, dass die befragten Unternehmen In den meisten Fällen Digitalkompetenzen im Sinne von Wissen und Qualifikationen im Umgang mit digitalen Systemen.

Ich halte die Vorgehensweise der bitkom nicht für zielführend, da sie das zweifellos wichtige Wissen und die unbedingt notwendigen Qualifikationen, mit digitalen Geräten und Einrichtungen sinnvoll umzugehen, mit den Fähigkeiten, kreativ und selbstorganisiert mithilfe digitaler Systeme Herausforderungen zu lösen, auf eine Stufe stellen.

Kompetenzen für die digitale Transformation

Es gibt keine digitalen Kompetenzen. Genauso wie es auch keine analogen Kompetenzen gibt. Es ist unglücklich, Kompetenzennach den Arbeitsgegenständen zu benennen, für die sie gebraucht werden (vgl. dagegen Oberländer, Beinicke, Bipp 2020). Sonst gäbe es eine Schraubenzieher-, eine Hammer- oder eine LKW-Kompetenz. Es gibt überhaupt keine digitalen Fähigkeiten bei Menschen, bestenfalls bei Computern. Wenn man Kompetenzen als Fähigkeiten versteht, selbstorganisiert und kreativ zu handeln, manifestiert sich sofort die Fragwürdigkeit des Begriffs.

Aber es gibt ein Bündel von Kompetenzen, die in Digitalisierungsprozessen immer wichtiger werden, wie:

  • selbstorganisiertes Handeln,
  • ganzheitliches Handeln,
  • werteorientiertes Handeln,
  • entscheidungsorientiertes Handeln,
  • problemlösendes Handeln
  • technologiebasiertes Handeln oder
  • erfahrungsorientiertes Handeln.

Solche und mehr ins Detail gehende Kompetenzen wurden vom Europäischen Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp) unter folgenden Rubriken zusammengestellt:

  • Informations- und Datenkompetenz: Fähigkeiten zur Suche, Auswertung und Verwaltung von Daten
  • Kommunikations- und Kooperationskompetenz: Fähigkeiten zu Interaktion, Austausch, Mitarbeit, Zusammenarbeit mittels digitaler Technologien, Netiquette
  • Kompetenz zur Erzeugung und Gestaltung digitaler Inhalte: Entwicklung, Integration, Neuausarbeitung, Programmierung
  • Kompetenz zur Bewahrung von Sicherheit: Geräteschutz, Personenschutz, Gesundheitsschutz, Umweltschutz
  • Kompetenz zum Problemlösen: Bedürfnisermittlung, kreativer Gebrauch von digitalen Systemen, Bewältigung von komplexen Herausforderungen mit digitalen Systemen
  • Kompetenz für Analyse und Reflexion: Medienanalyse, Medienverstehen, Medienreflexion

Die wirklich nötigen Kompetenzen in Digitalisierungsprozessen sind insbesondere problemlösendes Handeln, erfahrungsorientiertes Handeln und systematisch-methodisches Handeln. In deren gezielter Entwicklung sehen wir eine wichtige Zukunftsaufgabe des Corporate Learning.

Die Digitalisierung erfordert zwar Wissen über digitale Systeme im Arbeitsprozess und die Qualifikation zur Nutzung dieser Systeme, benötigt werden jedoch deutlich mehr Fähigkeiten.

Kompetenzen für die digitale Transformation sind die Fähigkeiten, in der sich neu herausbildenden digitalen Arbeits- und Lebenswelt Herausforderungen, die zum großen Teil heute noch unbekannt sind, selbstorganisiert und kreativ lösen zu können.

[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Vermittlung-Digitalkompetenz-Unternehmen-bilden-Beschaeftigte-weiter

 

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