4.1.1. Lernmotivation
Im Bereich des Lernens halten sich viele Mythen besonders zäh. Dazu gehört der Irrglaube, dass man Menschen extrinsisch auf Dauer für das Lernen motivieren könnte.
Generationen von Lehrern wurde eingebläut, dass zu Beginn eines Lernprozesses so wenig wie möglich vorweggenommen werden darf, um der Neugiermotivation, dem Überraschungseffekt und dem elementaren Bedürfnis aller Lernenden, sich jeden Inhalt mit hoher Anstrengungsbereitschaft selbst „erarbeiten“ zu wollen, nicht entgegenzuwirken. Deshalb schwört die Welt der überzeugten Lehrenden häufig auf eine Motivationsphase beim Einstieg, ausgehend von der nicht hinterfragten Annahme, extrinsische Motivation sei der bedeutsamste Faktor im Lernprozess. Nach dem derzeitigen Stand der pädagogischen Forschung ist dies falsch (vgl. Wahl 2011).
Die pädagogisch-psychologische Lernforschung kommt jedoch zu einer eindeutigen Aussage über die entscheidenden Faktoren des Lernerfolges:
Faktor 1: Anknüpfung des Lernprozesses an den aktuellen Erfahrungs- und Wissensstand der Mitarbeitenden
Der wichtigste Faktor für den Lernerfolg ist mit weitem Vorsprung die direkte Anknüpfung des Lernprozesses an den aktuellen Erfahrungs- und Wissensstand der Mitarbeitenden (vgl. Wahl 2013, S. 146 ff.)
Dies setzt die maßgebliche Mitwirkung des Mitarbeitenden voraus, da er seinen Erfahrungs- und Wissensstand am besten einschätzen kann.
Faktor 2: Motivation
Die extrinsische Motivation der Lernenden durch den Lehrer, Trainer oder Dozenten hat dabei nur eine sehr bescheidene bis gar keine Auswirkung auf den Lernerfolg (ebenda).
Motivation entsteht durch Wertungen, die ein Mensch auf Basis seiner Bedürfnisse vornimmt (nach Erpenbeck 1984, S. 59)
Grundsätzlich werden zwei Formen der Motivation unterschieden (Becker 2019, s. 141):
- Extrinsische Motivation wird durch positive Verstärker, z. B. Lob oder Geld, oder negative Anreize, z. B. Rüge oder Bestrafung, von außen bewirkt.Die Motivation der Lernenden durch den Lehrer, Trainer oder Dozenten hat dagegen nur eine sehr bescheidene bis gar keine Auswirkung auf den Lernendenfolg (ebenda). 
- Intrinsische Motivation entsteht aus der Aufgabe und dem Erleben des Handelns selbst oder der Erwartung, dass diese Erfahrung eintritt. Man handelt, weil es einem Spaß macht, weil die Tätigkeit als sinnvoll oder herausfordernd empfunden wird oder weil sie einen einfach interessiert.Intrinsische Motivation kann dabei nur dann entwickelt werden, wenn die Lernende selbstorganisiert ihre Lernprozesse gestalten können. Mitarbeitende, die aus intrinsischer Motivation lernen und handeln, sind im Vergleich zu extrinsisch motivierten Kollegen zufriedener, verfolgen die Ziele hartnäckiger, freuen sich mehr über ihre Erfolge und verkraften Misserfolge besser. Dies zeigt sich insbesondere an der Qualität der Ergebnisse. Extrinsische Motivation wirkt sich, wenn überhaupt, nur auf die Quantität der Ergebnisse aus (vgl. Becker S. 147). 
Im betrieblichen Lernen bieten sich insbesondere folgende Gestaltungselemente zur Förderung der Motivation an (vgl. Schiefele/Streblow 2006, S. 239 ff.):
- Ermöglichung aktiven, selbstorganisierten Handelns in selbst mit ausgewählten, realen Herausforderungen: Kognitive und physische Aktivitäten fördern das Interesse, wenn Lernende ihre Herausforderungen zum Aufbau ihrer Werte und Kompetenzen selbst auswählen können.
- Ermöglichungsräume anbieten: Selbstorganisiertes Lernen durch Planungshilfen, durch Wissen, Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten und Feedback ermöglichen.
- Rückmeldungen und Bekräftigungen: Auch kleinere Erfolge sollten zurückgemeldet werden, selbst wenn es nicht optimal läuft. Dagegen sind Tadel und Vorwürfe zu vermeiden.
- Soziales Lernen: Die Lernende entwickeln kollaborativ Lösungen.
- Transparenz über die Entwicklungsfortschritte: Rückmeldung von Lernpartner*innen, Lernbegleitenden und Führungskräften, Werte- und Kompetenzerfassungen.
Es hat sich bewährt, dabei auf folgende Merkmale zu achten (vgl. Becker 2019 S. 107):
- Abwechslung: Wird die Aufgabe als Abwechslung empfunden, z. B. weil sie breiter wird (Job-Enlargement) oder einen neuen Charakter hat (Job-Rotation)?
- Ganzheitlichkeit: Haben die Mitarbeitenden das Gefühl, für einen abgeschlossenen Teil-Prozess Verantwortung zu tragen?
- Bedeutsamkeit: Ist die Aufgabe für die Mitarbeitenden attraktiv und relevant?
- Autonomie: Welche Freiräume erhalten die Mitarbeitenden? (Job-Enrichment)
- Rückmeldung: Bekommen die Mitarbeitenden laufend Rückmeldung über ihren Entwicklungsstand?
- Zeitrahmen: Ist der Arbeitsauftrag zeitlich realistisch gegliedert?
Werden diese Eingangsvoraussetzungen durch die treffsichere Wahl von Praxisaufgaben oder -projekten optimiert, wird sich der Lernerfolg nach vielen empirischen Untersuchungen deutlich steigern und die Orientierung der Lernende verbessern. Damit wird selbstorganisiertes Lernen mit dem Ziel der Werte- und Kompetenzentwicklung gefördert.