3.5. Persönlichkeitseigenschaften – ein Indikator für Werte und Kompetenzen?
Noch immer werden in zahlreichen Unternehmen und Organisationen objektive, belastbare und valide Persönlichkeitstests eingesetzt und zu einem Maßstab von Personalauswahl und Personalentwicklung gemacht. Dagegen gibt es ernsthafte Einwände. Der ursprüngliche Glaube, durch Intelligenz- und Persönlichkeitstests vernünftige Vorhersagen über das Potenzial an Handlungs- und Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden zu treffen, wurde bereits frühzeitig widerlegt.
Persönlichkeitseigenschaften sind scheinbar vielfältig erfassbar und messbar. Auf amüsante Weise hat Prof. Dr. Simon gezeigt, dass er, gemessen an den seinerzeit bekanntesten Persönlichkeitstests, in ebenso viele, einander teilweise entgegengesetzte, Persönlichkeiten zerfallen würde (vgl. Simon 2015).
Eine fundamentale Erkenntnis aus den Ergebnissen der Werte- und Kompetenzforschung, aber auch aus den Erfahrungen unserer Praxisprojekte ist:
Werte und Kompetenzen sind keine Eigenschaften einer Persönlichkeit.
Die sehr stabilen Persönlichkeitseigenschaften sind für Unternehmen bei der Einschätzung von Mitarbeitenden oder Bewerber viel weniger interessant als die vergleichsweise schnell zu entwickelnden Handlungsfähigkeiten in Form von Kompetenzen oder die Haltung, die auf Werten basiert.
Kompetenzen und Werte
Handlungsfähigkeit und Haltung
zeitnah entwicklungsfähig
Persönlichkeitseigenschaften
z.B. “Big Five”:
- Offenheit
- Gewissenhaftigkeit
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Neurotizismus
kaum entwicklungsfähig
Zudem ist der Schluss von Persönlichkeitseigenschaften auf Handlungsfähigkeiten fragwürdig. Selbst wenn beispielsweise die Persönlichkeitseigenschaft Extraversion zu 90 % mit einer hohen Akquisitionsstärke gekoppelt wäre, kann sich ein Unternehmen gehörig und kostenaufwendig irren, wenn es zufällig an einen der 10 % der Bewerbenden gerät, die zwar vollkommen extrovertiert, aber bei Akquisitionsaufgaben gänzliche Versager sind.
Persönliche Werte und Kompetenzen können lebenslang stabil sein, sich aber auch, abhängig von der Lebenssituation, ungewollt oder gewollt ändern.
